Reale Versuchsfahrten allein reichen längst nicht mehr aus: Um komplexe Fahrfunktionen zu überprüfen, werden Testkilometer immer häufiger virtuell abgespult. Das weltweit agierende Mobilitäts-Technologieunternehmen AVL vertraut dabei auch auf Drohnentechnologie und KI eines Hightech-Start-ups aus Stuttgart: Um Verkehrsszenarien schon in frühen Entwicklungsstadien gesamtheitlich digital zu simulieren, kommt Know-how des Jungunternehmens Deepscenario zum Einsatz.
Wie von Geisterhand gesteuert: So sollen fahrende Autos schon in einigen Jahren ihren Weg durch unsere Städte bahnen – zumindest, wenn es nach der globalen Automobilindustrie und auch der Tech-Branche geht. Die Vision des selbstfahrenden Fahrzeugs wirft allerdings nicht nur neue rechtliche Aspekte auf, sondern vor allem Sicherheitsthemen.
Die nötigen Fahrassistenzsysteme müssen ihre Aufgaben perfekt beherrschen. Um zu gewährleisten, dass diese zuverlässig Entscheidungen treffen, müssen die einzelnen Funktionen bis ins kleinste Detail getestet werden.
Georg List, AVL
„Die nötigen Fahrassistenzsysteme müssen ihre Aufgaben perfekt beherrschen. Um zu gewährleisten, dass diese zuverlässig Entscheidungen treffen, müssen die einzelnen Funktionen bis ins kleinste Detail getestet werden. Schließlich hängt die Sicherheit der Insassen und oft mehr noch aller anderen Verkehrsteilnehmer – wenn wir etwa an sogenannte „vulnerable road users“ wie Fußgänger, oder Radfahrer denken – davon ab“, betont Georg List, Strategiechef beim Mobilitäts-Technologieunternehmen AVL, das an 90 Standorten weltweit 11.200 Mitarbeiter beschäftigt.
Das Unternehmen ist ein wichtiger Partner der Automobilindustrie – insbesondere im Bereich von Fahrassistenzsystemen (ADAS) und automatisiertem Fahren (AD). „Wir verfügen über die entsprechende Erfahrung und Infrastruktur, um die Entwicklung, Kalibrierung, das Testen und die Absicherung gesamtheitlich zu unterstützen, ganz gleich ob für die Einführung von neuen ADAS-/AD-Generationen oder die breite Ausrollung auf verschiedenste Derivate und Varianten“, sagt List.
Digitale Tests am Vormarsch
In weltweit immer mehr öffentlichen Testgebieten und in spezialisierten Testzentren werden durch AVL mittlerweile Tausende von Kilometern abgespult.
Allerdings: Selbst auf Hightech-Arealen wie dem erst unlängst im bayrischen Roding eröffneten AVL-Zentrum für Mobilität und Sensortests – laut AVL eines der modernsten und umfassendsten Testzentren der Welt – kann nicht jedes erdenkliche Szenario abgebildet werden. Die Konsequenz: Geschwindigkeitsassistenten, Spurhalte- und automatische Bremssysteme würden zunehmend digital getestet werden, meint der Experte.
Hunderte Millionen Kilometer müssten real verfahren werden, um eine Fahrfunktion final freigeben zu können.
Max Nestoriuc, AVL
Denn: Der Aufwand, reale Szenarien zu testen, erfordert Prototypen, Zeit und Kapazitäten – schlicht: immense Kosten. „Hunderte Millionen Kilometer müssten real verfahren werden, um eine Fahrfunktion final freigeben zu können“, weiß Max Nestoriuc. 300 AVL-Experten arbeiten mit ihm im Großraum Stuttgart an der Serienentwicklung von hochmodernen ADAS-Systemen, in denen das Fahrzeug Fahraufgaben selbstständig und ohne menschlichen Eingriff übernimmt.
KI und Drohnen erzeugen virtuelle Szenarien
Nur virtuelle Tests würden laut Nestoriuc dauerhaft den Einsatz von ADAS-System ermöglichen: „Durch den Einsatz spezieller Simulationswerkzeuge kann die Prüfung der Systeme massiv skaliert werden. Außerdem haben virtuelle Tests den Vorteil, dass jedes Testszenario auf genau dieselbe Weise wiederholt werden kann“, erklärt der AVL-Experte.
Soll bedeuten: Immer häufiger wandert der Test von der Straße schon auf den AVL-Prüfstand – so werden etwa Fahrsituation, Manöver und Umgebung digital simuliert. Um vielfältige Verkehrsszenarien schon in frühen Entwicklungsstadien virtuell und gesamtheitlich abzubilden, setzt AVL auch auf innovative Ansätze durch Starts-ups.
In der hauseigenen „Creator’s Expedition“ (hier mehr) wird dafür weltweit nach hochkarätigen und bahnbrechenden Ideen gesucht, um neue Kooperationen zwischen der AVL und jungen Unternehmen zu initiieren – insbesondere im immer wichtiger werdenden Bereich des virtuellen Testens .
Kooperation mit Stuttgarter Hightech-Start-up
So kooperiert das Mobilitätsunternehmen seit kurzem mit dem deutschen Start-up Deepscenario: Die Stuttgarter erschaffen nicht nur virtuelle Fahrwelten mit Hilfe von künstlicher Intelligenz, sondern kombinieren die digitalen Testumgebungen auch mit durch Drohnen aufgenommene Realszenarien. „Während wir uns auf die Fahrzeugperspektive konzentrieren, bringt Deepscenario den Blickwinkel aus der Luft ein. Dadurch dass das Start-up den Verkehr von oben beobachtet, können bestimmte Szenarien viel schneller aufgelöst und erkannt werden“, verdeutlicht Nestoriuc.
Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz ermöglichen wir, autonome Systeme in großem Maßstab zu trainieren, zu testen und zu validieren.
Holger Banzhaf, Deep Scenario
Start-up-Mitbegründer Holger Banzhaf erklärt: „Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz ermöglichen wir, autonome Systeme in großem Maßstab zu trainieren, zu testen und zu validieren. Unsere Plattform liefert einzigartige Erkenntnisse für jedes Szenario und ermöglicht eine rasche Freigabe neuer Softwarefunktionen. So können beispielsweise Tausende von Fahrvarianten durch einen anspruchsvollen zweispurigen Kreisverkehr durchgeführt und wichtige Erkenntnisse über die Sicherheit und Leistungsfähigkeit des Systems gewonnen werden.“
Das daraus resultierende Versprechen des Start-ups: In wesentlich kürzerer Zeit und zu wesentlich geringeren Kosten aus realen Situationen abgeleitete skalierbare, virtuelle Testszenario-Serien (hier mehr zum Start-up).
„Die Technologie von Deepscenario ist branchenführend, und die neue Finanzierung wird es uns ermöglichen, unsere Lösung Kunden weltweit zugänglich zu machen. Was die AI Scenario Engine von anderen Lösungen unterscheidet, ist unser Prozess des Szenario-Minings. Dabei nutzen wir unsere bahnbrechenden Bildverarbeitungsalgorithmen um Zugang zu repräsentativen Verteilungen der realen Welt zu erhalten und das in allen drei räumlichen Dimensionen und der Zeitdimension“, so Banzhoff.
Erste Tests
Aktuell durchlaufen AVL und das deutsche Jungunternehmen – im Rahmen der „Creator’s Expedition“ – bereits erste Tests. Für das Grazer Mobilitätsunternehmen könnte die Zusammenarbeit ein weiterer Hebel sein, die Markstellung für virtuelle Testinfrastruktur weiter auszubauen.
„Durch die immer kürzer werdenden Entwicklungszyklen ist es für uns entscheidend, über vielfältigste virtuelle Szenarien im Straßenverkehr zu verfügen. Wir sehen in diesem Segment einen stark wachsenden Markt, den wir bedienen wollen. Die ‚Creator’s‘ Expedition ermöglicht uns den Zugang zu jungen, innovativen Unternehmen mit spannenden Technologien und Ideen, die zu unseren passen, und die so eine wechselseitige Kooperation auf Augenhöhe mit uns eingehen“, so AVL-Experte Nestoriuc.
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