Die Energiewende als Drahtseilakt zwischen Ökologie und Wettbewerbsfähigkeit: Österreichs eingeschlagener Weg zur Klimaneutralität bis 2040 wird zunehmend auch zur Belastungsprobe für die heimische Wirtschaft und Industrie – dieses Bild zeichnet die WKO Steiermark-Regionalkonferenz in Weiz.
Wer den Klimaschutz ernst nimmt, muss den Ausbau sauberer Energien unterstützen. Dies darf allerdings nicht auf Kosten unserer Unternehmerinnen und Unternehmer geschehen.
Josef Herk, WKO Steiermark
Die Tagung der Entscheidungsträger aus den steirischen Wirtschaftskammer-Regionalstellen zeigte allerdings auch neue Wege und Lösungen auf: „Wer den Klimaschutz ernst nimmt, muss den Ausbau sauberer Energien unterstützen. Dies darf allerdings nicht auf Kosten unserer Unternehmerinnen und Unternehmer geschehen. Daher dürfen wir in der jetzigen Phase kein Denkverbot für die Weiterentwicklung bestehender Technologien verhängen. Wir brauchen einen offenen Diskurs über die Zukunft der heimischen Energieversorgung und einen längst überfälligen Masterplan für die Energiewende in Österreich, der eine geordnete und strategische Herangehensweise an eine der größten Herausforderungen unserer Zeit ermöglicht“, fordert WKO Steiermark-Präsident Josef Herk im Zuge der umfassenden Diskussionen.
Abhängigkeit nimmt nicht ab
Dass an der Energiewende kein Weg vorbeiführe, daran ließen die Diskutanten der WKO-Regionalkonferenz keinen Zweifel. Auch aufgrund von ökonomischen Gesichtspunkten: Denn den 45 Milliarden Euro, um die Energiewende zu stemmen, stehen erhebliche Mehrkosten gegenüber, wenn weiterhin auf fossile Energien gesetzt wird. Allein satte 100 Milliarden Euro müsse der Staat für den Import von fossilen Brennstoffe in den nächsten zehn Jahren aufbringen. Darüber hinaus kämen laut Bericht des Rechnungshofes bis 2030 etwa fünf bis neun Milliarden Euro an Strafzahlungen an die EU auf Österreich zu, wenn die Klimaziele verfehlt werden würden.
Der Klimawandel ist Fakt. Wenn wir uns richtig positionieren, entstehen für Unternehmen auch neue Chancen und Märkte.
Erwin Stubenschrott, KWB
Allerdings: „Zu glauben, dass die Abhängigkeit vom Weltmarkt durch die Klima-Transformation weg ist, ist eine Illusion. Zu bestimmten Jahreszeiten werden wir definitiv noch abhängiger sein“, erklärt der Energieexperte und Sachverständige Rudolf Haubenhofer. Erwin Stubenschrott, Gründer des auf erneuerbare Energien spezialisierten steirischen Unternehmens KWB, sieht in der geplanten Umgestaltung des Energienetzes allerdings auch eine Chance: „Der Klimawandel ist Fakt. Wenn wir uns richtig positionieren, entstehen für Unternehmen auch neue Chancen und Märkte.“
Sich mit Verboten zu behelfen, ist keine Lösung. Die bessere Technologie setzt sich ohnehin durch.
Ernst Trummer, E-Werke Gröbming
Nachsatz des KWB-Gründers: „Die – für die Politik schwer zu verkaufende – Wahrheit ist: Jeder einzelne muss einen Beitrag leisten. Mit dieser Botschaft lassen sich allerdings keine Wahlen gewinnen.“ Stubenschrott fordert daher „klare Grenzen und Anreize“ ein. Denn: Die Wirtschaft würde „Klarheit brauchen“. Anders sieht das Haubenhofer: „Das halte ich nicht für notwendig.“ Ernst Trummer, Geschäftsführer der E-Werke Gröbming, betont: „Sich mit Verboten zu behelfen, ist keine Lösung. Die bessere Technologie setzt sich ohnehin durch.“
Ewald Verhounig, Leiter des Instituts für Standort- und Wirtschaftsentwicklung der WKO Steiermark, rechnet vor, dass „Hunderte Millionen Euro für den Tausch von bestehenden Ölkesseln in der Steiermark als Förderanreiz“ notwendig wären. Besonders pikant: Ein – insbesondere in älteren Gebäuden – passender Energieersatz für die Ölkesseln sei technologisch noch gar nicht in Sicht.
In der derzeitigen Situation müssen die AKWs in Betrieb bleiben.
Ernst Trummer, E-Werke Gröbming
Kernenergie wegzuschalten, ist „fahrlässig“
Dass in Deutschland nun auch die letzten Atomkraftwerke vom Netz gegangen sind, ist für die Experten wenig nachvollziehbar: „In der Schweiz gibt es AKWs, die deutlich älter sind, und nach wie vor in Betrieb sind. Der Zeitpunkt ist denkbar ungünstig gewählt“, sagt Haubenhofer. Selbst Stubenschrott – laut eigenen Angaben „strikter Gegner der Atomkraft“ – ist es „fahrlässig, in dieser Phase des Energienetzumbaus, diese Quellen wegzuschalten. Die Politik will hier ihre Versprechen einhalten, aber gescheit ist das nicht“, so der KWB-Gründer.
Es ist wichtig, auch die Weiterentwicklung von allen bestehenden Technologien zuzulassen.
Ewald Verhounig, Institut für Wirtschaft- und Standortentwicklung
Auch Trummer bekräftigt: „In der derzeitigen Situation müssen die AKWs in Betrieb bleiben.“ Seitens der WKO Steiermark wird die Technologieneutralität forciert: „Es ist wichtig, auch die Weiterentwicklung von allen bestehenden Technologien zuzulassen“, betont Verhounig.
Tempo 100: Zwischen Alibi-Aktion und Effizienz
Nicht zu bremsen waren die Diskutanten bei der WKO-Regionalstellenkonferenz hinsichtlich der Mobilitätswende – aus gutem Grund: Kein anderer Sektor in Österreich benötigt so viel Energie wie der Verkehr. Ein Drittel von Österreichs Energiebedarf „verbraucht“ der Verkehr, davon wiederum 90 Prozent der Kfz-Verkehr. Dieser ist wiederum fast zur Gänze, nämlich zu 92 Prozent, von Erdöl abhängig.
Um die Abhängigkeit von fossilen Treibstoffimporteuren zu reduzieren, wurde daher Tempo 100 auf den Autobahnen diskutiert: Während Verhounig darin eine „Alibi-Aktion“ ortet, hält es Stubenschrott für „längst überfällig“. Denn Studien würden zeigen, dass es eine „der effizientesten Maßnahmen“ wäre, um „verkehrsbedingte Treibhausgasemissionen zu reduzieren“, so Stubenschrott. E-Fuels räumen die Experten nur bedingt Massentauglichkeit ein.